Wie entsteht eine Porphyrie?

Bei den akuten Porphyrien handelt es sich um angeborene Stoffwechselerkrankungen, bei denen die körpereigene Herstellung des roten Blutfarbstoffes Häm aufgrund von Defekten in bestimmten Eiweißen (sog. Enzymen) gestört ist. Häm ist Bestandteil des Hämoglobins, das den Sauerstoff im Blut transportiert. Auch in der Muskulatur transportiert es als Bestandteil des roten Muskelfarbstoffs Myoglobin Sauerstoff. Häm ist außerdem Bestandteil von wichtigen Proteinen des Energiestoffwechsels (Cytochromen) und von bestimmten Enzymen, sog P450-Cytochromen, die beim Abbau von Medikamenten eine wichtige Rolle spielen.

In bestimmten Situationen (z. B. bei Einnahme von bestimmten Medikamenten, Alkoholgenuss, hormonellen Veränderungen, Infekten) benötigt der Körper mehr Häm und kurbelt dessen Bildung an. Durch den Defekt der Enzyme kommt es jedoch nicht zur gewünschten vermehrten Bildung des Häms. Vielmehr häufen sich nicht verwendbare Häm-Vorstufen im Körper an, die ins Blut übertreten und verschiedene akute Beschwerden (Symptome) wie krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Blutdruckanstieg, Lähmungserscheinungen, Herzrasen und Verwirrtheitszustände hervorrufen. Diese Symptome werden als Porphyrieschub zusammengefasst.

Die vier Formen der akuten Porphyrie

Die Produktion von Häm ist ein komplexer Vorgang, der in acht Zwischenschritten abläuft. An jedem dieser Schritte ist ein Enzym beteiligt. Je nachdem, bei welchem Enzym der Defekt vorliegt, werden vier verschiedene akute Porphyrien (auch als akute hepatische Porphyrien bezeichnet) unterschieden.

Schema der enzymabhängigen Produktion von Häm mit Darstellung der verschiedenen Porphyrieformen
Je nachdem, welches zur Bildung von Häm notwendige Enzym defekt ist,
werden verschiedene Porphyrieformen unterschieden (rot: akute Formen)
;aus Petrides PE et al. Die akuten Porphyrien. 6. Auflage, München 2020

Bei den vier akuten Porpyrien handelt es sich in absteigender Häufigkeit um

  • die akute intermittierende Porphyrie (AIP) (am häufigsten)
  • die Porphyria variegata (PV)
  • die hereditäre Koproporphyrie (HKP)
  • die δ-ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie (sehr selten)

Bei der akuten intermittierenden Porphyrie ist die Haut niemals betroffen. Die Patienten leiden unter kolikartigen Bauchschmerzen, Lähmungen, Missempfindungen und Verwirrtheitszuständen. Bei der Porphyria variegata und der hereditären Koproporphyrie können sich dagegen auch zusätzlich Hautsymptome an Stellen des Körpers entwickeln, auf die Sonnenlicht fällt. Von der δ-ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie sind weltweit nur wenige Fälle bekannt.

Häufigkeit der akuten Porphyrien

In Europa erkrankt ca. eine Person pro 75 000 Einwohner an einem akuten Porphyrieschub. Frauen haben ein etwa dreifach höheres Risiko, einen akuten Porphyrieschub zu erleiden. Die akute intermittierende Porphyrie ist in Europa die häufigste akute Porphyrie-Variante.

Junge Erwachsene häufiger betroffen

In der Regel treten Porphyrieschübe im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Die meisten Patienten erleiden während ihres Lebens nur sehr wenige Schübe und erholen sich nach einem akuten Schub fast vollständig.

Eine kleine Anzahl von Patienten, insbesondere junge Frauen, leiden unter wiederkehrenden Schüben, die regelmäßig alle drei bis vier Wochen auftreten und im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus stehen. Diese Schübe sind häufig schwer behandelbar und mindern die Lebensqualität der Betroffenen deutlich. Die allermeisten Patienten mit akuter Porphyrie können allerdings ein normales Leben führen, wenn Sie auf Medikamente verzichten, die einen Porphyrieschub auslösen, und andere auslösende Faktoren wie z. B. Fastenkuren meiden.

Akute Porphyrien werden vererbt

Die akuten Porphyrien sind angeboren und haben genetische Ursachen. Porphyrie-Patienten können daher die Veranlagung zur akuten Porphyrie vererben. Allerdings hat nicht jeder Betroffene Beschwerden, der die genetische Anlage für eine akute Porphyrie besitzt.

 

Über diesen Beitrag:
Autor: Prof. Dr. med. Petro E. Petrides
Erstellt: 08.06.2020