Absetzen porphyrinogener Medikamente
Aufgrund der Seltenheit der akuten Porphyrien wird die Diagnose oft erst nach diagnostischen Irrwegen und nach erheblicher Verschlechterung durch den unbeabsichtigten Einsatz porphyrinogener Medikamente (z. B. Phenytoin zur Therapie eines porphyrieinduzierten Krampfanfalls) gestellt. Ist die Diagnose „akute Porphyrie“ gesichert, ist der erste Schritt das Absetzen aller potentiell porphyrinogenen Medikamente und der Verzicht auf Substanzen wie Alkohol und Nikotin. Die Behandlung eines akuten Porphyrieschubes erfordert initial oftmals eine intensivmedizinische Überwachung.
Kausale Therapie
Da Häm als Endprodukt seine eigene Biosynthese hemmt, führt die intravenöse Gabe von Häm zu einer Hemmung der δ-ALA-Synthase-1 und damit zum Sistieren der Produktion pathogener Porphyrinvorstufen. Als Präparat steht Häm-Arginat (Normosang®) zur Verfügung. Die Gabe sollte bei einer Porphyrieattacke so früh wie möglich erfolgen, bei bestehenden zentralnervösen Störungen wie Paresen, Krampfanfällen und Psychosen, oder Beeinflussung der Atmung sofort (Dosierung: 3 mg/kg Körpergewicht/Tag).
Da das Medikament im Allgemeinen nur auf Bestellung verfügbar ist, sollte die Zeit bis zum Eintreffen mit einer Glukoseinfusion (mindestens 3 Liter 10 %ige Glukose; cave bei Hyponatriämie) überbrückt werden.
Die Häm-Arginat-Therapie ist über mindestens 4 Tage durchzuführen. Eine Gabe über einen Zeitraum von 7 Tagen hinaus ist jedoch zu vermeiden, da dadurch das Enzym Hämoxidase stimuliert werden kann, was konsekutiv zu einem gesteigerten Abbau von Häm führt.
Bei frühzeitiger Gabe von Häm-Arginat klingen die Beschwerden meist innerhalb von 24-48 Stunden ab. Der vor der Verfügbarkeit von Häm-Arginat praktizierten hochdosierten intravenösen Gabe glukosehaltiger Infusionen liegt ebenfalls eine Hemmung der δ-ALA-Synthase zugrunde (sog. Glukoseeffekt). Die alleinige Gabe von Glukose bei schweren Porphyrieattacken ist aber unzureichend und somit als obsolet anzusehen.
Durch frühzeitige Hämtherapie kann das Auftreten der Porphyrie-Polyneuropathie vermieden werden. Bei adäquater Dosierung treten keine gravierenden Nebenwirkungen auf. Da über das Häm regelmäßig Eisen zugeführt wird, ist die regelmäßige Ferritinbestimmung bei häufiger Anwendung obligat, da bei einzelnen Patienten die sekundäre Eisenüberladung zur Leberfibrose führen kann.
Zusätzliche symptomatische Therapie
Die Zusatztherapie richtet sich nach dem klinischen Bild des akuten Porphyrieschubes. Porphyrinogene Medikamente dürfen auf keinen Fall verabreicht werden. Eine aktuelle Übersicht über sichere und unsichere Medikamente findet sich auf der Internetseite www.drugs-porphyria.org.
Behandlung chronisch rezidivierender Schübe
Chronisch rezidivierende Schübe stellen ein wesentliches gesundheitliches Problem bei einer kleinen Gruppe von Patienten dar: dabei handelt es sich vor allem um junge Frauen im Alter von 20-40 Jahren (Bronisch et al, 2019).
In den meisten Fällen ist die wiederholte Gabe von Normosang® anfänglich hilfreich, verliert aber im Laufe der Behandlung ihre Wirksamkeit.
Hier kommt ein völlig neues Therapieprinzip zum Tragen: Mit Hilfe eines subkutan injizierten, einmal im Monat verabreichten Medikamentes wird der erste Schritt der Porphyrinbiosynthese in der Leber gehemmt, sodass es nicht zur einer Überproduktion der pathogenen Porphyrinvorläufer kommen kann. Das Medikament Givosiran (Givlaari®, Alnylam Pharmaceuticals) wurde im November 2019 von der FDA in den USA und im März 2020 von der EMA in Europa zugelassen.
Autonome viszerale Neuropathie
Bei Schmerzen stellen Opiate die wirksamsten Medikamente dar (Morphin, Pethidin), die bei Bedarf auch in hoher Dosis gegeben werden dürfen. Periphere Analgetika wie ASS sind normalerweise ineffektiv. Bei Unruhe werden u. a. Chlorpromazin (Megaphen®) oder Promethazin (Atosil®) empfohlen. Obstipation kann mit pflanzlichen Laxanzien, Einläufen und Neostigminbromid behandelt werden. Bei Übelkeit und Erbrechen ist Ondansetron (Zofran®) indiziert. Bei Tachykardie und Hypertonie hat sich die Gabe von β-Rezeptorblockern bewährt.
Über diesen Beitrag:
Autor: Prof. Dr. med. Petro E. Petrides
Erstellt: 08.06.2020