Enzyme der Häm-Biosynthese mit negativer Rückkoppelung durch das Endprodukt Häm.
Vereinfachtes Schema der Biosynthese von Häm mit Regulation
der Biosynthese (Hemmung durch Endprodukt Häm);
aus Petrides PE et al. Die akuten Porphyrien. 6. Auflage, München 2020

Wie entsteht eine Porphyrie?

Bei den Porphyrien handelt es sich um eine Gruppe von meist hereditär bedingten seltenen Stoffwechselerkrankungen, denen eine Störung der Häm-Biosynthese zugrunde liegt. Im menschlichen Organismus wird Häm für den Sauerstofftransport (Hämoglobin, Myoglobin) und für lebenswichtige Stoffwechselprozesse wie die Atmungskette benötigt. Häm ist Bestandteil wichtiger Enzyme, wie z. B. der Cytochrom-P450-Monooxygenasen, die am Medikamentenabbau beteiligt sind. An der Biosynthese von Häm sind acht Enzyme beteiligt. Die Regulation der Biosynthese erfolgt über eine negative Rückkopplung, bei der die δ-ALA-Synthase, das erste Enzym der Biosynthese, durch das Endprodukt Häm gehemmt wird.

Ursache der akuten Porphyrien

Treten Mutationen in den Genen auf, die die Enzyme der Häm-Biosynthese kodieren, können strukturelle Veränderungen mit einem partiellen Funktionsverlust des Enzyms die Folge sein. Dieser partielle Funktionsverlust (i. A. auf 50 %) wird normalerweise durch eine Stimulierung der δ-ALA-Synthase-Aktivität ausreichend kompensiert, sodass ein Hämmangel vermieden wird. Kommt es allerdings zu einem gesteigerten Bedarf an Häm, wie z. B. durch Einnahme eines Medikaments, das hämhaltige Abbauenzyme induziert, wird der Funktionsverlust klinisch relevant. Zwischenprodukte wie die die wasserlöslichen Porphyrinvorstufen Porphobilinogen und δ-Aminolävulinsäure akkumulieren und verteilen sich im Organismus und bedingen das klinische Erscheinungsbild.

Jedes der acht Enzyme der Häm-Biosynthese kann von einem Defekt betroffen sein. Entsprechend werden acht Porphyrie-Formen unterschieden, die in akute und nicht-akute Porphyrien unterteilt werden. Während sich die nicht-akuten Porphyrien vor allem durch chronische Hautsymptome auszeichnen, können Patienten mit einer akuten Porphyrie lebensbedrohliche neurologische Symptome entwickeln.

Die vier akuten Porphyrieformen

Unter dem Sammelbegriff der akuten Porphyrien (auch als akute hepatische Porphyrien bezeichnet) werden vier erbliche Porphyrie-Formen zusammengefasst, die sich in ihrem klinischen Bild ähneln.

Mit abnehmender Häufigkeit sind dies:

  • die akute intermittierende Porphyrie (AIP)
  • die Porphyria variegata (PV)
  • die hereditiäre Koproporphyrie (HKP)
  • die δ-ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie (sehr selten)

Während die extrem seltene δ-ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie autosomal-rezessiv vererbt wird, folgen die anderen häufiger vorkommenden akuten Porphyrien einem autosomal-dominanten Erbgang mit inkompletter Penetranz.

Die akuten Porphyrien gehen alle mit dem Auftreten von akuten Porphyrieschüben oder Porphyrieattacken einher. In Europa erkrankt ca. eine Person pro 75.000 Einwohner an einem akuten Porphyrieschub.

Am häufigsten: die akute intermittierende Porphyrie

Die akute intermittierende Porphyrie (AIP) ist in Europa die häufigste akute Porphyrie-Variante mit einer Prävalenz von 5/100.000. Junge Frauen sind besonders häufig von Porphyrie-Schüben betroffen. Bei der akuten intermittierenden Porphyrie kommt es ausschließlich zu akuten abdominellen und neuropsychiatrischen Symptomen, d. h. die Haut ist niemals betroffen.

Seltenere Formen der akuten Porphyrie

Bei der Porphyria variegata (PV) und der hereditiäre Koproporphyrie (HKP) können sich dagegen auch Hautsymptome an lichtexponierten Stellen des Körpers entwickeln. Dabei können Schübe und Hautveränderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und unabhängig voneinander auftreten. Von der δ-ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie sind weltweit nur wenige Fälle bekannt.

 

Hände einer Patientin mit Porphyria variegata: Blasen, Erosionen, Krusten und Narben sind typisch bei dieser Form der akuten Porphyrie.
Hände einer Patientin mit Porphyria variegata. Blasen und Narben sind typisch bei dieser Form der akuten Porphyrie (Foto: Jorge Frank):
aus Petrides PE et al. Die akuten Porphyrien. 6. Auflage, München 2020

 

Nähere Einzelheiten zu diesem Thema finden Sie in unserer Informationsbroschüre für Ärzte „Die akuten Porphyrien“

 

Über diesen Beitrag:
Autor: Prof. Dr. med. Petro E. Petrides
Erstellt: 08.06.2020