Diagnostik der akuten Porphyrien

Legen typische Symptome (abdominelle Schmerzen, Verfärbung des Urins, proximale Muskelschwäche, Tachykardie) den Verdacht auf eine akute Porphyrie nahe, muss die Bestimmung der beiden Porphyrin-Vorstufen Porphobilinogen (PBG) und der δ-Aminolävulinsäure (δ-ALA) in einer währen des Schubes gewonnenen Spontanurinprobe veranlasst werden. Können die beiden Porphyrinvorstufen nicht zeitnah bestimmt werden, so ist notfalls auch die Durchführung eines qualitativen Schnelltestes auf Porphobilinogen (Hösch-Test, Schwartz-Watson-Test) sinnvoll, der allerdings sehr störanfällig ist.

  • Ist die Konzentration von PBG auf ein Mehrfaches der Normalkonzentration erhöht, gilt das Vorliegen einer der drei häufigen Porphyrieformen als gesichert.
    Merksatz: PBG erhöht: Porphyrie Bestimmt Gesichert
  • Bei deutlich erhöhten δ-ALA-Werten bei normalem bis geringgradig erhöhtem PBG müssen andere Störungen des Porphyrinstoffwechsels z. B. durch eine Bleivergiftung oder die sehr seltene δ-ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie in Betracht gezogen werden.

Biochemische Differenzierung: Welche akute Porphyrie liegt vor?

Zu Differenzierung der drei akuten Porphyrieformen (akute intermittierende Porphyriedie, Porphyria variegata, hereditiäre Koproporphyrie) werden Urin-, Stuhl- und Blutproben benötigt. Zu beachten ist, dass alle Proben lichtgeschützt versendet werden müssen.

  • Im Urin (Spontanunrinprobe oder 24 h-Sammelurin) werden die Porphyrinvorstufen PBG und δ-Aminolävulinsäure (δ-ALA) und die Gesamtporphyrine quantitativ analysiert. Bei Erhöhung der Gesamtporphyrine erfolgt eine qualitative und quantitative Porphyrindifferenzierung.
  • Im Stuhl werden ebenfalls die Gesamtporphyrine mit fakultativer Differenzierung (Kopro- und Protoporphyrine) bestimmt.
  • Im Blut ist eine Enzymbestimmung in den Erythrozyten bei akut intermittierender Porphyrie (PBG-Desaminase erniedrigt) und δ-ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie möglich.

Ergänzend kann ein Fluoreszenz-Scan im Plasma durchgeführt werden bei dem die verschiedenen Porphyrieformen typische Absorptionsmaxima zeigen.

Während bei der akuten intermittierenden Porphyrie die Stuhlporphyrine normal sind, sind sie bei der hereditären Koproporphyrie (wie der Name der Krankheit sagt) deutlich erhöht (Koproporphyrine  höher als Protoporphyrine). Bei der Porphyria variegata dagegen sind die Protoporphyrine stärker als die Koproporphyrine erhöht.

Die alleinige Untersuchung der Urin-Porphyrine ist keine geeignete Methode zum Nachweis einer akuten Porphyrie, da Urin-Porphyrine auch bei vielen anderen Erkrankungen (Leber-Gallen-Erkrankungen, Alkoholabusus, Infektionen etc.) sekundär erhöht sein können.

Entscheidend ist die Untersuchung der Porphyrinvorstufen PBG und δ-ALA.

Biochemische Diagnostik bei klinischem Verdacht auf eine akute Porphyrie (verändert nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für klinische Chemie, www.dgkl.de, AG Porphyriediagnostik)
Biochemische Diagnostik bei klinischem Verdacht auf eine akute Porphyrie (verändert nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für klinische Chemie, AG Porphyriediagnostik); aus Petrides PE et al. Die akuten Porphyrien. 6. Auflage, München

Mutationsanalysen

Die Diagnose einer akuten intermittierenden Porphyrie (AIP) wird durch den Nachweis einer reduzierten Enzymaktivität in den Erythrozyten (PBG-Desaminase) bestätigt. Eine Besonderheit stellt die sogenannte atypische AIP dar, bei der die PBG-Desaminase-Aktivität im Erythrozyten normal, aber in anderen Geweben reduziert ist. In diesen Fällen kann die Diagnose nur über eine molekulargenetische Untersuchung des PBG-Desaminase-Gens im Intron-1- und 5´ UTR-(Promotor) Bereich gesichert werden. Ein unauffälliger Enzymtest schließt demzufolge eine AIP keinesfalls aus.

Mutationsanalysen sind ebenfalls bei hereditärer Koproporphyrie (Koproporphyrinogenoxidase-Gen), Porphyria variegata (Protoporphyrinogenoxidase-Gen) und beim δ-Aminolävulinat-Dehydratase-Mangel möglich und oft zur diagnostischen Abklärung erforderlich. Ist die Mutation bei einem Patienten bekannt, kann eine Analyse von Familienmitgliedern auf das Vorliegen einer Anlage am besten durch eine molekulargenetische Untersuchung erfolgen. Anlageträger müssen über Provokationsfaktoren informiert werden und einen Notfallausweis erhalten.

 

Stammbaum einer Familie mit akuter intermittierender Porphyrie. Die Anlageträger wurden mithilfe der Genanalyse identifiziert.
Stammbaum einer Familie mit AIP: Identifikation der Anlageträger
mithilfe der Genanalyse. Pfeil: Indexpatient, schwarze Kreise/Rechtecke:
Anlageträger; aus Petrides PE et al. Die akuten Porphyrien. 6. Auflage, 2020

 

Nähere Einzelheiten zu diesem Thema finden Sie in unserer Informationsbroschüre für Ärzte "Die akuten Porphyrien"

Über diesen Beitrag:
Autor: Prof. Dr. med. Petro E. Petrides
Erstellt: 08.06.2020